Sinnsuche und Kopfrechnen - Titelbild wird geladen ...    Übrigens: Der nächste AVATAR erscheint am 1. September 1997 !

Spätestens seit Douglas Adams wissen wir, daß es eine Antwort auf die Große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem gibt - und damit einen Schlüssel zur Schöpfung dieser Dinge. Wir kennen Sie, jene Antwort, die Großrechner Deep Thought gegen den Widerstand der Philosophengewerkschaft ("Ich fordere, daß wir nichts fordern!") nach nur siebeneinhalb Millionen Jahren errechnet hatte: Sie lautet ZWEIUNDVIERZIG. Das Problem dabei ist - wie so oft - mangelnde Präzision bei der Fragestellung. Die Große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem - wie lautet sie nun im Detail?

Auch hier sind treue Douglas-Adams-Leser der restlichen Menschheit ein Stück voraus. Sie wissen, daß Deep Thought für die Suche nach der richtigen Frage einen noch größeren Computer baute (er hieß Erde, oder so ähnlich). Dieser wurde fünf Minuten vor Ablauf seines Zehn-Millionen-Jahre-Programms durch eine vogonische Baukolonne zerstört, weil er einer neuen Hyperraum-Expreßroute im Weg war. Trotz dieser etwas störenden Unterbrechung konnten Arthur Dent und sein extraterrestrischer Freund Ford Perfect die Große Frage ausfindig machen - als von Affenhand gelegten Scrabble-Satz: "Wieviel ist neun multipliziert mit sechs?"

Woran weder Arthur Dent, Ford Perfect noch Douglas Adams gedacht hatten: Die Suche nach der Großen Antwort auf die Große Frage betreffs Leben, Universum und allem sowie die anschließende Recherche nach der kompetenten Großen Frage selbst wurde von einem körperlichen Computer ausgeführt, mochte er nun "Erde", "Thunfisch" oder sonst wie heißen. Entsprechend gelten Antwort und Frage (bitte Reihenfolge beachten!) auch nur für körperliche Welten wie den Planeten, den wir Real World (RW) nennen. Für virtuelle Welten wie beispielsweise Dreamscape treffen beide Elemente nicht zu. Sie zu finden, wäre Aufgabe eines virtuellen Computers.

Was also ist der Sinn des virtuellen Lebens? Oder genauer gefragt: Wie lautet die Große Antwort auf die Große Frage nach dem virtuellen Leben, dem virtuellen Universum und allem sonstigen Virtuellem? Und, bitte, wie lautet die Große Frage selbst? Richtig gestellt, meine ich.

Wohin führt unser virtueller Weg?

Irgendwie läuft die Suche nach Antwort und Frage hier anders als in RW. Wenn in unserer körperlichen Welt (heißt sie nicht zufällig auch Erde?) jemand behauptet, die Antwort laute "42" und die Frage "Wieviel ist 6 mal 9?" so können wir das lustig finden, oder faszinierend, oder abgrundtief blöde, aber wir können es nicht eindeutig widerlegen. Wir können es nicht, weil wir nicht die Schöpfer dieses Planeten sind und dem zu Folge für ein abschließendes Urteil nicht über ausreichend fundiertes Insiderwissen verfügen. Vielleicht ist die Schöpfung ganz einfach? Vielleicht ist jeder angehende Schöpfer bereits im Anerkennungsjahrtausend in der Lage, ein Universum aus dem Nichts zu zaubern, indem er laut "42!" ruft?

Daß es in der virtuellen Umgebung nicht ganz so einfach ist, können wir mit Bestimmtheit sagen, denn virtuelle Welten sind ein Werk menschlichen Geistes. Auch, wenn wir an der Programmierung nicht teilgenommen haben, selbst, wenn wir von Programmierung nicht die leiseste Ahnung haben, kann jeder einzelne von uns wissenschaftlich nachweisen, daß weder die Große Antwort, noch die Große Frage hier weiterhelfen. Jeder kann den unumstößlichen Beweis in den eigenen vier Wänden durch drei einfache Schritte nachvollziehen:

  Schritt 1: Computer einschalten und davorsetzen.
    Schritt 2: "42!" rufen.
      Schritt 3: "Wieviel ist sechs multipliziert mit neun?" fragen.

Es kann als allgemein gültige Erkenntnis gelten, daß diese drei Schritte nicht zur Entstehung einer virtuellen Welt führen. Das funktioniert ganz anders hier. Aber wie? Was ist nun der Sinn meines virtuellen Lebens? 29? Reife Avocados? é-%'##2? Und die Frage? Wie lautet die Frage?

Unnötige Umwege?

Wenn ich im Rahmen meiner körperlichen Existenz im fahrenden Auto meinen Palmtop-Computer auf der Mittelkonsole balanciere, um mit meinem Gesprächspartner am Handy einen Termin zu vereinbaren, mich dabei geschickt zur Seite wende, um das Funktelefon vor den Polizisten im Streifenwagen nebenan zu verbergen - ohne dabei den Motorradfahrer vor mir in das kleine Straßencafé gegenüber zu katapultieren, drängt sich mir hin und wieder die Frage auf, ob ich mit dieser Art der Lebensgestaltung mehr Sinnfälligkeit entwickle als beispielsweise Nachbars Katze, die zwischen absolvierter Mäusejagd und anstehender Nachtwanderung kurz bei mir auf ein Schälchen Trockenfutter und ein paar Streicheleinheiten vorbeischaut. Was ist so unwahrscheinlich sinnvoll daran, Höhle, Futter und Weibchen auf unglaublich komplexen, hochtechnisierten, hochzivilisierten Um-, Neben- und Irrwegen zu erlangen? Der Schöpfer (42?) hat mich in meiner Eigenschaft als Mensch gegenüber den anderen Lebewesen auf diesem Planeten erhöht, indem er mir die einzigartige Gabe des selbsterkennenden Geistes verliehen hat. Ich bin in der Lage, mein Ich zu definieren, mein Tun und Denken zu reflektieren und kreativ tätig zu sein. Tolle Sache. Nur - wo ist der Sinn? Am Ende bin ich genau so tot wie der Rauhhaardackel, den ich bei meinen Fahrmanövern fast übersehen hätte.

Der Sinn, du Trottel - sagt der Klerus - liegt im Leben nach dem Tod. Bist du auf Erden ein guter Junge, ist dir die ewige Glückseligkeit sicher. Versprochen. Nun, ich muss sagen, das motiviert irgendwie. Die Sinnfrage erhält auch neue Nahrung - ganz ohne "42" und "Wieviel ist 6 mal 9?". Zumindest war es bei mir eine lange Zeit so - bis ich auf eine für mich sehr unangenehme Folgefrage stieß: Welchen Sinn hat die ewige Glückseligkeit?

Zurück in die Virtualität. In Dreamscape - wo mein körperloser Hauptwohnsitz ist - wie auch auf den anderen virtuellen Welten, die ich besuche, konnte ich bisher weder eine vernünftige Große Antwort noch eine ebensolche Große Frage finden. Aber etwas anderes habe ich entdeckt: Entgegen meiner körperlichen Existenz, in der mich die Sinnfrage immer wieder anspringt, bin ich im virtuellen Leben von der Suche nach dem Warum völlig unbelastet.

Damit habe ich - ganz unbeabsichtigt - höchstwahrscheinlich die Große Antwort auf die Große Frage nach dem virtuellen Leben, dem virtuellen Universum und allem sonstigen Virtuellen gefunden. Sie heißt: "Mir egal."

Die Große Frage möge dann meinetwegen "Sind Gehirnzellen dumm?" lauten.


Von CyberJack IV - ne 

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