Also
gut, von mir aus "Netzwärme". Daß ich dabei zwanghaft an glühende Kabel
denken muß, soll dahingestellt bleiben. Die Unternehmen wissen jetzt, daß es uns
gibt. Wir chatten in Chatrooms, wir diskutieren in Foren und Newsgroups, wir wandern
durch mehr oder weniger gelungen gestaltete, virtuelle Onlinewelten. Tolle Sache.
Und was noch? Ach ja, ganz wichtig: Wir sind innovativ, technisch interessiert
und (Bingo!) kaufkräftig. Was will man mehr?
Wie
alles Gute, so haben auch wir einen Wermuthstropfen. Oder besser: Wir sind
ein Wermuthstropfen. Oder noch besser: Der Umgang mit uns als Zielgruppe
beinhaltet einen Wermuthstropfen. Wir sind nämlich nicht ganz normal. Echt. Gail
Williams kennt uns genau: "Die
besten Kanditaten für Online-Gemeinschaften sind sprachgewandte Menschen, die
in der realen Welt nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie benötigen."
Das sitzt. Und Gail Williams ist nicht irgendwer, sondern von der Online-Urgemeinschaft
The Well.
Nun, für sich selbst hat Williams mit dieser Sentenz sicher die Aufmerksamkeit
erzeugt, die er benötigt.
Zurück
zu den Unternehmen und ihren Community-Initiativen. Das Ganze hätte so einfach
sein können, denkt sicher so mancher Onkel Werbeleiter. Eine konsumgeile Zielgruppe
wie sie im Marketinglehrbuch steht, superschnell via Internet zu erreichen - und
nun stellt sich heraus, daß es sich um lauter geschwätzige Wichtigtuer handelt
- wie gemein! Und was das Schlimmste ist: Wie soll man das seinem Therapeuten
klarmachen?
Das
Schöne an deutschen Unternehmen sind die Selbstheilungskräfte ihrer Manager. Sie
werden darüber hinwegkommen, bestimmt. Sie werden nicht nur darüber hinwegkommen,
sondern sogar eine Lösung finden. Sie werden erkennen, daß die Gschaftelhuberei
ihrer Zielgruppe die eigentliche Chance darstellt. "Ist ja toll, daß die
sich so wichtig nehmen!" wird Onkel Werbeleiter zu Tante Werbeleiter sagen.
"Das kommt uns wie gerufen! Wir richten denen einen tollen Chatroom ein,
da können sie sich dann gegenseitig vollabern, und wir jubeln ihnen unterschwellig
unsere Message
unter! Wir haben verstanden!"
Aber
das ist nur der Anfang. Langsam, ganz langsam, bröselt ins Bewußtsein der Kreativen
ein ungeheuerlicher Gedanke. Da gibt es doch noch etwas? Hat man nicht vorgestern
auf dem PC von Tante Werbeleiter so ein grafisches Onlinedingsbums gesehen? Eine
virtuelle Welt - so zumindest nennen sie die Verrückten, die sie betreiben. Und
drinnen lauter Apalare, oder wie die heißen ...
Und
während der Festtagskaffee in der Tasse von Onkel Werbeleiter langsam zu vibrieren
beginnt, hat er eine geniale Idee. Nicht ein popeliger Chatroom wird an die eigene
Website geklebt, sondern ein grafisches Onlinedingsbums, komplett mit Straßen,
Häusern, Geschäften und vielen, vielen Apalaren. Was eröffnet das für kommerzielle
Möglichkeiten! Natürlich keine tumbem Verkaufsaktionen oder drögen Produktpräsentationen,
nein, nein! Das firmeneigene Onlinedingsbums wird ein Musterbeispiel für aktives
... aktives ... mal nachsehen ... Szenensponspring!
Genau! Und außerdem ist das Dingsbums der ideale Einsatzort für ... na! ... für
... das stand doch zwei Seiten weiter ... Trendscouts!
Ich
freue mich schon heute. Ich freue mich auf das Davidoff-Cigarrenforum (mit Arnold
Schwarzenegger als Ehren-Apalar), den Melitta-Experten-Chat, die virtuelle VIP-Lounge
des Frankurter Flughafens. Von Natur aus sprachgewandt, werde ich überall meine
textlichen Duftmarken hinterlassen. Ich kann es kaum mehr abwarten, geltungsbedürftig,
wie ich bin. Denn auch ich habe verstanden.