3D-Shooter im Mischwald von Ikea Warrior / ne |
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Den Marker im Anschlag, schleiche ich auf den dicken, knorrigen Baum zu. Wenn meine Beobachtungen richtig waren, steht ein Gegner dahinter, mit angehaltenem Atem, seinen Marker hochgereckt, um ihn nicht hinter dem Baum hervorragen zu lassen. Ich bin noch drei Schritte weg, zwei ... Pech. Unter dem Laub lag ein trockener Ast. Das Knacken gab dem Gegner zwei dringend benötigte Informationen: Abstand und Richtung. Mit einem Schrei springt er vor, reißt den Marker herunter. Bevor ich reagieren kann, verpaßt er mir eine Kugel. Meine gewendete Tarnjacke trägt einen gelben Fleck mehr. Ich fluche. Tarnmuster nicht erlaubt auf diesem Feld - no camo. Das habe ich nun davon. Nein, es ist nicht Krieg. Auch nicht Manöver. Wir spielen. Ein Mannschafts- spiel. Ein Spiel, das aus dem Computer kommt, auch, wenn viele der Spieler das nicht wahrhaben wollen. Alles begann mit dreidimensionalen Action- spielen wie Stonekeep oder Hexen. Es begann für jeden allein. Allein gegen den PC, die Hand am Joystick, auf dem Weg durch phantastische Reiche voller Monster und Magier. Rasch gesellte sich ein Kiebitz zu den Spielern: |
Einsamkeit. Action weckt die Lust an der Kommunikation, am gemeinsamen Erleben.
Gesucht: die Problemlösung. Was ist das Gegenteil von Einsamkeit? Suche
im Erfahrungsschatz. Gegensätze. Haß? Liebe. Neid? Wohlwollen. Einsamkeit?
Internet. Die Netzspiele entstanden. In den Schluchten und Schloßhöfen,
in denen der isolierte Spieler bisher allein gegen Blitze schleudernde Todesreiter
anballerte, jagten sich nun weltweit zusammengeschaltete Gladiatoren, einzeln
oder in Gruppen, mit Schwerten, Laserkanonen oder magischen Blitzringen. Und in
den Hirnen einiger verdichtete sich eine radikale Idee: Warum nicht einfach den
Computer weglassen? Gewiß, das hat Nachteile. Man muß das Haus
verlassen. Sich an einem bestimmten Ort treffen. Sich den Witterungsverhältnissen
aussetzen. Doch die Vorteile sind auch nicht von der Hand zu weisen: Zehn Zentimeter
vor einer Mauer stehend, sieht diese immer noch aus wie eine Mauer und nicht |
wie eine karierte Tischdecke. Welche pixelorienierte 3D-Engine kann das bieten? Ach ja, und dann noch ein Vorteil: Die, mit denen man es zu tun hat, sind keine Avatare, sondern Menschen. Richtige, echte Menschen. Oder ist das möglicherwiese gar kein Vorteil? So entstand - neben anderen Spielen - Paintball. Ein Spiel, bei dem es meist darum geht, eine Flagge zu erobern. Nicht virtuell, auf dem Monitor, sondern echt, körperlich, in freier Landschaft. Das heißt - so frei nun auch wieder nicht. Gespielt werden darf nur auf umfriedetem Gebiet, nach vorheriger polizeilicher Genehmigung. Heute spielen wir auf dem Feld bei Ohrel, GPS-Koordinaten N 53°24ī31.2" E 09°18ī16.1, beziehungsweise UTM 32 U 0520239 / 5917777 (Karteneinteilung der Bundeswehr). Das Spiel: Center Flag, eine der vier Hauptvarianten. Beide Mannschaften kämpfen um eine Flagge, die in der Mitte des Felds aufgehängt ist, und tragen sie in die gegnerische Basis. Wer das zuerst schafft, ist Sieger - logisch. Für mich ist die Sache allerdings erledigt. Ich bin raus. Getroffen. Dead man. |
Ich beginne den dead man walk, weg von dem ganzen Schlamassel. Eine
Hand auf den Kopf gelegt, stolpere ich in Richtung Auto. Sollte eigentlich zur
dead man zone gehen, aber das nervt jetzt. Mann, sieht das blöd aus.
Trotzdem besser, als noch weitere Farbkugeln aufgebrannt zu bekommen. Am
Wagen reiße ich mir die Schutzmaske vom Gesicht. Scheiße. Hatte das
Gefühl, unbesiegbar zu sein diesmal. Unbesiegbar, von wegen. Die Gedanken
schweifen ab. Ich habe noch gegen einen anderen Gegner gespielt heute. Einen mächtigen
Gegner. Auch der, der mich abgeknallt hat, spielt gegen den selben Gegener und
alle anderen auch, auf allen Feldern dieser Republik. Wir alle spielen gegen die
Bundesregierung. Die nämlich will uns verbieten. Ersatzlos. Schluß
mit lustig. Ein Paragraph extra für uns. Das heißt, ein Abschnitt in
einem Paragraphen. § 118a, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten: Verbot der Veranstaltung
von Spielen mit der Simulation von Tötungshandlungen (z.B. Laserdrome, Gotcha
etc.). Und wir, die Paintballer, wir sind in den selben Topf gefallen. Na gut,
ein bißchen Krieg ist schon dabei. Und wenn mich die Farbkugel trifft, aus
einem Marker |
abgeschossen, der ein bißchen aussieht wie ein israelisches Schnellfeuer- gewehr, dann steckt auch eine Portion Gewalt dahinter. Geschenkt. Aber eines solltet ihr bedenken, ihr Allesregler: Wer uns verbieten will, der muß auch alle Boxkämpfe verbieten. Bei uns geht es um den ritualisierten Abschuß. Bei den Boxern geht es um wirkliche Prügel, um Schläge, die vernichten sollen - und es geht um Blut. Nicht Wachs, wie bei uns. Beim nächsten Paintball World Cup in Orlando werden rund 150 Teams mit über 1000 Spielern antreten. Davor gab es das Camps-Masters Turnier in Tolouse, die Borderland-Trophy in Belgien, Turniere in Holland, Mallorca, Italien, Polen. Irgendwie haben wir schon ein Talent dazu, uns alles besonders kompliziert zu machen, wir Deutschen. Unsere Allesregler ringen Tag um Tag, Stunde um Stunde verzweifelt die Hände, in namenloser Furcht davor, der deutsche Normalzombie könnte durch finsteres Tun aus seinem unschuldigen Halbkoma gerissen und mit seiner evolutionären Wahrheit konfrontiert werden. Selbstdenker als herrschendes Volkselement können sie sich nicht vorstellen, die Allesregler. Wie so oft, hat die Privatwirtschaft |
auch hier einen deutlichen Erkenntnisvorsprung. Die Ugly Ducklings aus
Dänemark, das derzeit wohl beste und erfolgreichste Paintball-Team Europas,
wird unter anderem von Adidas gesponsort. Inzwischen habe ich meine Jacke
ausgezogen und in den Kofferraum gefeuert. Der gelbe Wachsfleck grinst mich an.
Bin richtig mies draufgekommen mittlerweile. Für die Allesregler bin ich
ein potentieller Killer. Für den Spieler, der mich abgeknallt hat, bin ich
totes Fleisch. Vielleicht sollte ich lieber wieder auf die andere Ebene wechseln,
die mit dem Computer ... Abwarten. In einer Woche ist wieder Sonntag. | ||
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