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Roulette von Nexo of Kystone | ||
1 Gestatten Sie, daß ich Ihnen Rudi vorstelle. Lachen Sie nicht - es kann für Sie von großem Vorteil sein, Rudi zu kennen, denn von Rudi können Sie lernen. Zum Zeitpunkt, an dem unsere kleine Geschichte beginnt, befand Rudi sich in einer Phase ausgeprägter Lustlosigkeit. Wieder einmal wurde ihm klar - diesmal mit besonderem Nachdruck - daß er nicht den Platz in der sozialen Pyramide innehatte, der ihm seiner Meinung nach zustand. Rudi liebte den freien, erhabenen Rundblick über das endlose Meer der kleinen, grauen Männer (und Frauen). Aber es gab keine gute Sicht von so weit unten, wirklich nicht! Einer wie Rudi müßte reich, schön und gesund sein. Einer wie Rudi war nicht dazu geschaffen, als kleines Rädchen im Getriebe belanglose Aufgaben zu erfüllen, die ihm von noch belangloseren Vorgesetzten aufgetragen wurden. Er war zum Chef geboren. Sein Schicksal war, in eine verblödete Welt hineingeboren worden zu sein, eine Welt, die das nicht begreifen konnte. Reich, gesund und schön - das war seine Welt! Was die Gesundheit betraf, konnte er sich eigentlich nicht beklagen. Abgesehen von den vorwurfsvoll pulsierenden Hämorrhoiden, die sich regelmäßig nach längerem Bürostuhlaufenthalt meldeten, war er rundum fit, oder fühlte sich zumindest so. Und Schönheit - mein Gott, was ist schließlich Schönheit? Definitionssache, nicht wahr. Blieb die Sache mit dem Reichtum. Hier wäre ein Ansatzpunkt für dramatische Veränderungen. Was tun? Nun gehörten geistige Hochseilakte nicht unbedingt zu Rudis dominierenden Talenten. Intensive Denkprozesse kamen in der Regel nur beim Eintritt höherer Gewalt und nach entsprechender Vorbereitung ins Rollen. Diesmal gab es einen weiteren Grund - schließlich wollte er reich werden. Unverschämt reich. Blödsinnig reich. Mit einem Wort: reich. Ein solches Ziel kann ungeahnte Energien entfachen. Rudi leitete die Vorbereitungen ein. Eine Röhre Vitamintabletten und eine Familienpackung Traubenzucker bekam er in der Apotheke, die zehn Energieriegel und den Sechserpack isotonischer Mineraldrinks holte er sich im führenden Sportgeschäft am Ort. (Die freundliche Frage des Verkäufers, auf welchen Dreitausender es denn gehen solle, quittierte er mit einem schmalen, gerade noch höflichen Lächeln). Nun war alles bereit. Am Samstag vormittag um zehn Uhr ließ er das Badewasser ein und legte sich in die Wanne, die umsichtig zusammengestellte Kraftnahrung neben sich auf einem Tablett, die Toilette in Sichtweite. Er begann, nachzudenken. Am Sonntag abend gegen neun seifte er seinen runzelig gewordenen Körper gründlich ein, duschte sich ab und verließ die Wanne. Die Lösung war gefunden.
Was er an einschlägiger Literatur benötigte, war in der öffentlichen Bücherei nicht zu finden. Schweren Herzens suchte er die größte Buchhandlung der Stadt auf, doch auch hier war zu seinem Thema nur Oberflächliches, Populärwissenschaftliches aufzutreiben. Schließlich wagte er sich in eine kleine, nicht sehr einladend aussehende Spezialbuchhandlung für esoterische Literatur. Nach einigem Stöbern und Staubschlucken lagen schließlich drei große, bemerkenswert alt aussehende Bücher vor ihm, deren Erwerb ihn um ein halbes Monatsgehalt brachte. Auf dem Heimweg fühlte er überrascht feine Schweißperlen auf der Stirn. Lag es am ansehnlichen Gewicht der drei unhandlichen Druckwerke? War er krank? Eine kurz - aber heftig - durchgeführte Kopfrechnung brachte die Erklärung; dabei setzten sich die verschiedenen Multiplikatoren, Divisoren und Variablen aus den drei wichtigsten K's des modernen Menschen zusammen: Kontostand, Kreditlinie, Kühlschrankinhalt. Zwölf Stunden später - berufliche Aktivitäten hatte er vorerst zurückgestellt - zeichnete Rudi mit dem Blut eines frisch gekauften Suppenhuhns ein etwas windschiefes Fünfeck auf den Teppichboden, einen ausgerissenen Schenkel als Zeichengerät benutzend. An den Ecken der geometrischen Figur stellte er je eine auf einen Papierteller geklebte, weiße Haushaltskerze auf (schwarze waren in der Eile nicht zu bekommen) und begann stotternd und stockend, die zur Herbeirufung Luzifers erforderlichen Beschwörungen aus dem dicksten der drei Bücher vorzulesen. Hätte
Rudi mehr über Mystik und Teufelskult gewußt als das, was er in den
letzten Stunden in sich hineingelesen hatte, wäre er sicher erstaunter darüber
gewesen, daß seine Bemühungen trotz des dilettantischen Vorgehens zum
Erfolg führten. Mit der Selbstverständlichkeit eines Menschen des Computerzeitalters
ging er davon aus, daß ein geheimes Buch über Schwarze Magie auch nichts
anderes darstellt als die Gebrauchsanweisung zum Programmieren eines Videorecorders.
Man muß eben tun, was drinsteht, dann funktioniert es auch. Das ist schließlich
das mindeste, was man verlangen kann, bei diesen Preisen!
Nun stand Luzifer im Raum, eingehüllt in beißenden Schwefelgeruch, und seine schwarze, mit grünlichen Warzen übersäte Haut schimmerte matt im spärlichen Licht, das aus der spaltweit geöffneten Küchentür in den Raum fiel. Dunkler Brodem breitete sich von ihm aus und waberte unter der Decke entlang. Besorgt betrachtete Rudi seine vor einer Woche frisch tapezierten Wände, auf die einige Schwaden zuschwebten. "Äh, muß das denn sein?" fragte er ärgerlich und deutete auf den Rauch. "Du hast nach mir gesandt!" dröhnte Luzifer, und seine Stimme klang wie das Heulen von tausend Hyänen. "Was begehrst du?" "Soll das ein Witz sein? Was ich begehre? Na, was schon! - Das, was jeder begehrt, der dich ruft!" "Du willst Macht, Reichtum und die Kraft, dir jedes Weib zu unterwerfen!" Das Angebot ging weiter, als Rudi erwartet hatte. Über die beiden anderen Punkte hatte er sich bisher keine Gedanken gemacht. Alles in allem klang es nicht schlecht. "Na ja ... wenn das geht?" "Natürlich geht es! Wen, glaubst du, hast du vor dir? Du sprichst mit dem, der wirklich herrscht!" "Entschuldigung, Entschuldigung! Es war ja nicht persönlich gemeint! - Also, ich kann Macht und Reichtum und ..." "Der Erdkreis wird dir Untertan sein!" donnerte Luzifer "Legionen der Hölle werden deinem Befehl gehorchen, Tod und Vernichtung wird über jeden kommen, den du verfluchst, die, die glauben zu gebieten, werden sich deinem Willen beugen, die kleinste Bewegung deiner Hand kann ..." "Moment, Augenblick!" Die Angelegenheit nahm Formen an, die Rudi nicht geheuer waren. "Was heißt 'Legionen der Hölle werden meinem Befehl gehorchen'? Das geht vielleicht doch ein bißchen weit, oder?" "Willst du nicht Macht? - Willst du nicht Reichtum?" "Schon, aber ..." "Das ist der Weg! Einen anderen gibt es nicht!" "Könnte ich vielleicht lieber ..." "Schweig! - Seit Anbeginn der Zeiten beobachte ich, was Er schuf. Ich kenne eueren Weg! Wenn du Macht willst, Reichtum, mußt du das Schwert schwingen, die Lanze werfen, das Feuer legen!" Das Ganze lief etwas aus dem Ruder. Alles, was Rudi sich wünschte, war ein unerschöpfliches Bankkonto, ein Haus auf Ibiza, vielleicht noch eines in der Toscana, und was so dazugehört. Als Kriegsherr hatte er sich bisher nicht gesehen; er konnte sich auch nicht vorstellen, daß diese Betätigung besonders gut zu ihm paßte. Er würde sich nur furchtbar lächerlich machen, das war alles. Allerdings - nichts wird so heiß gegessen, wie es beschworen wird. Einer, der seit Jahrtausenden keine andere Aufgabe hat als abgrundtief schlecht zu sein, läuft natürlich Gefahr, nach einiger Zeit einer gewissen Betriebsblindheit zum Opfer zu fallen. Sein schwarzglänzender Besucher konnte sich offenbar nur noch mit Brachialgewalt herbeigeführte Problemlösungen vorstellen. Mit den ihm dann zur Verfügung stehenden Mitteln müßte ein cleverer Bursche, für den er sich hielt, allerdings auch auf eleganterem, nicht so blutrünstigem Weg zum gewünschten Erfolg gelangen können. Wichtig war nur, sich nicht versehentlich verhängnisvollen Verpflichtungen auszusetzen - Faust läßt grüßen! Schließlich war man im Zeitalter der Versicherungsmakler und Direktmarketinggesellschaften aufgrund einschlägiger Erfahrungen dem Teufel nicht mehr völlig unvorbereitet ausgeliefert. "Also, die Legionen der Hölle stehen mir zur Verfügung, gut, schön. Aber wenn ich sie wider Erwarten nicht benötigen sollte, muß ich doch nicht ..." "Natürlich nicht." "Und die Jungs kommen nur, wenn ich sie rufe?" "Nur dann." "Bestimmt?" "Bestimmt!" "Ganz sicher?" "JA!!" brüllte Luzifer, und etwas Putz bröckelte von der mittlerweile leicht angeschwärzten Decke. Rudi zog unwillkürlich den Kopf ein, aber seine Gedanken waren schon einen Schritt weiter. Die Aufbaukur mit Traubenzucker und Vitaminen machte sich in einer ungeahnten geistigen Agilität bemerkbar. "Na gut, das klingt wirklich ganz verlockend, ehrlich. Aber jetzt wollen wir einmal vom Wichtigsten sprechen, du weißt schon - was soll das Ganze denn kosten?" "Du fragst noch?" "Sicher - über den Preis haben wir doch noch nicht gesprochen." "Der Preis ist immer gleich - seit Anbeginn: deine Seele!" Das traf Rudi nun doch unvorbereitet. Auf seiner Stirn bildeten sich wieder feine Schweißperlen, und der Mund fühlte sich trocken an. Er hatte sich innerlich auf ein paar hundert Jahre Fegefeuer eingestellt, oder was die da so haben, aber gleich die Seele ... Obwohl - konkrete Vorstellungen darüber, wozu eine Seele eigentlich gut ist, hatte er bisher nicht gewonnen. Vage Andeutungen aus längst vergangenen Religionsstunden hatten seine diesbezüglichen Zweifel nicht beseitigen können. Andererseits: Wußte man, ob nicht doch irgendwann einmal Bedarf entstehen würde? Wenn das, was man im allgemeinen als Himmel versteht, in dieser Form wirklich existiert, dürfte er bei seinem Versuch, am Ende des Lebens dahin zu gelangen, ohne das fragliche Attribut ziemlich auf dem Schlauch stehen. Der Türsteher war unerbittlich, nach allem, was man so hörte. "Du zögerst?" Luzifer blickte ihn durchdringend an, und Rudi glaubte, in seiner Brust ein leichtes Brennen zu verspüren. "Na ja, immerhin - was du da verlangst ... also meine Seele!" "Deine Seele." wiederholte Luzifer abwartend. Rudi räusperte sich verlegen. "Also, ich verstehe noch nicht ganz, wie das gemeint ist. Handelt es sich um eine zeitweilige Überlassung, so wie Leasing, oder mehr eine endgültige ..." "Deine Seele für immer und alle Zeiten!" Das gab den Ausschlag. Zuerst das Risiko, nur auf sehr unästhetischem Weg zu den ersehnten Reichtümern zu gelangen, und nun auch noch die unwiderrufliche Herausgabe eines Gutes, dessen endgültiger Wert ihm noch nicht einmal bekannt war - nein, danke! "Äh ... also, ich glaube, das möchte ich mir lieber noch einmal überlegen ... Ich rufe dich dann, wenn ich mich entschieden habe! Bis dahin vielen Dank, daß du ..." "Du lehnst ab?!" Der Gehörnte begann, schwach von innen heraus zu glühen. Die Temperatur im Zimmer stieg merklich an. Rudi trat unwillkürlich einen Schritt zurück, achtete aber darauf, nicht aus dem magischen Fünfeck zu geraten. "Das habe ich nicht gesagt!" antwortete er hastig. "Wichtige Entscheidungen soll man nicht übers Knie brechen! So etwas geht nicht einfach wie sechs Eier kaufen - das will überlegt sein!" "Du willst mir widerstehen, du Wurm?!" fauchte Luzifer. Seine Augen begannen, rot zu leuchten. Er erhob sich vom Boden und schwebte langsam auf Rudi zu. Jetzt wurde es brenzlig, im wahrsten Sinne des Wortes. Rudi kam sich in seinem laienhaft improvisierten Bannkreis zwischen den fünf Haushaltskerzen vor wie ein Regenwurm im Schatten eines Bergwanderschuhs. Nur seinem durch Vitamine und Mineraldrinks auf Hochtouren laufenden Gehirn war die Rettung zu verdanken. Hastig riß er das vor ihm auf dem Boden liegende Buch hoch, blätterte mit fliegenden Fingern darin und hielt es dem Dämon dann geöffnet entgegen. "Verschwinde!" schrie er. "Oder ich lese das vor!" So spektakulär der Auftritt Luzifers gewesen war, so belanglos war sein Verschwinden. Von einer Sekunde zu anderen war er einfach nicht mehr da. Kein Knall, kein Rauch, kein Feuer, auch das vor dem Fenster tobende Unwetter war schlagartig zu Ende. Nur die dunklen Spuren an Wänden und Decke waren geblieben, ein Beweis dafür, daß alles nicht nur ein böser Traum gewesen war.
Im Normalfall wäre das Abenteuer für Rudi damit ein für allemal beendet gewesen. Er gehörte nicht zu den Ellenbogenmenschen. Wenn ein Vorhaben sich weigerte, schon beim ersten Versuch zu glücken, dann lag darin sicher ein tieferer Sinn. Offensichtlich hatte das Schicksal andere Pläne mit Rudi, und wer war er, ihm zu trotzen? Allerdings machte er in den folgenden Tagen eine unangenehme Entdeckung: Ein Porsche in seiner Lieblingsfarbe hellgrün sah aufregender aus als jeder andere hellgrüne Wagen, selbst in Metalliclackierung. Eine Erkenntnis wie diese kann man nicht einfach wegstecken. Sie ist Grund genug, noch einen Anlauf zu wagen. Und außerdem mußte zumindest das Geld für die blödsinnigen Bücher wieder hereinkommen! Diese Entscheidung legte das Programm für das kommende Wochenende fest. In der Gesellschaft von Vitaminen, Proteinen und Mineralien wurde wieder eine zweitägige Badewannensitzung daraus. Rudis Hygienestandard war außergewöhnlich hoch in dieser Zeit. Wie so oft, führte der steinigste Weg - das heißt, in unserem Fall der feuchteste - zur schlausten Lösung: Findest du nicht, was du suchst, geh' zur Konkurrenz! Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Den Sonntagabend nach dem Badewochenende verbrachte Rudi in der Katharinenkirche. Was
heißt, er verbrachte! Er vertiefte sich in inbrünstiges Gebet, er versank
in kontemplative Meditation, er kasteite sich - natürlich nur symbolisch,
schließlich war er sensibel - er öffnete seine sündige Seele (die
er glücklicherweise noch sein eigen nennen durfte) dem, den er vor wenigen
Tagen noch bereit war, schändlich zu verraten.
"Fürchten? Wovor soll ich mich noch fürchten nach dem letzten Wochenende?" Ein fragender Blick trat in das Gesicht des Engels. Rudi war verblüfft. Sollten die da oben tatsächlich nichts von seinen Kontakten wissen? Den Informationsfluß zwischen den beiden Machtzentren hätte er sich effektiver vorgestellt. "Na ja, unwichtig!" sagte er schnell "Mal was anderes: Könnt ihr mir nicht helfen? Ich hätte gerne Macht, Reichtum und die Kraft, mir jedes We... also, Macht und Reichtum eben!" Befremden zeigte sich auf dem Antlitz des Himmelsboten. "Und dies ist, was du von mir erbittest?" "Ein bißchen viel, nicht wahr?" fragte Rudi unsicher. "Also, das mit der Macht ist nicht so dringend, ehrlich. Wirklich wichtig wäre etwas Reichtum, zehn oder zwanzig Milliönchen vielleicht, oder so, oder ähnlich!" Schweigend schüttelte der Engel traurig den Kopf. "Na ja, möglicherweise ist das ein bißchen hoch gegriffen. Mit fünf Millionen kann man auch eine ganze Menge anfangen!" Der Engel seufzte, mitleidig Rudi anblickend. "Drei Millionen?" "Oh Rudi!" rief der Engel klagend. "Zwei?" "Kennst du denn keine anderen Güter als die der weltlichen Begierde?" Er will ablenken, dachte Rudi, da ist wohl nichts zu holen. "Eine Million?" Der letzte Versuch. "Was ich dir geben kann, ist wertvoller als alles Geld der Welt!" Oha, dachte Rudi, man soll nie zu früh aufgeben! "Wenn du es möchtest," sprach der Engel, und sein Gesicht erstrahlte im hellen Glanz der reinen Freude, "wenn du es möchtest, so wird dir die Weisheit gegeben, wahr von unwahr zu scheiden, Aufrichtigkeit von Trug, Treue von Untreue!" Unwillkürlich mußte Rudi an den Pfarrer aus den Jugendjahren in seinem Heimatdorf denken, der ihm zu jedem Geburtstag die Neuauflage des Buches "Fromme Sprüche bei Arbeit und Muße" geschenkt hatte. Sie meinten es ja wirklich gut, die Himmlischen und ihr Fußvolk, aber ihre Hilfsangebote entbehrten doch einer gewissen Realitätsnähe. Trotzdem, die gute Absicht mußte geachtet werden, vor allem unter dem Aspekt, daß man in einigen Jahrzehnten für ziemlich lange Zeit miteinander zu tun haben würde - wenn alles gutging. "Also, das ist wirklich eine tolle Sache, diese Weisheit und das alles, bestimmt, ich meine, das bringt einen ein großes Stück weiter!" Rudi rang nach Worten. "Nur, ich glaube, dafür bin ich im Augenblick noch nicht gefestigt genug, geistig und seelisch meine ich, nicht wahr, aber das kommt noch, ganz bestimmt, ich arbeite daran, ehrlich, und wenn ich soweit bin, dann ..." Der Engel hob einen Arm und hielt die Hand über Rudis Kopf, was diesen erschreckt zusammenfahren ließ. "Der Herr segne dich, mein Sohn, und führe dich auf den richtigen Weg!" Daraufhin verschwand er. Rudi atmete einmal tief durch. "Mann!" stöhnte er.
Als er zu Hause ankam, war er sauer, echt sauer. Das also waren die Hoffnungsträger der aus dem Paradies Vertriebenen? Na ja! Die drei Bücher lagen übereinandergestapelt auf dem Boden neben der Couch. Mistschwarten! Wütend versetzte er ihnen einen kräftigen Fußtritt. Der kleinste, zuoberst liegend Foliant segelte in einer absolut unmöglich anmutenden Flugbahn quer durch den Raum, kam dann mit der Unterkante in der Nähe des Fensters auf dem Teppichboden auf, etwa in der Mitte geöffnet, und blieb so stehen. Rudi runzelte mißtrauisch die Stirn. Aufmerksam schnüffelnd testete er die Luft auf Schwefelanteile, doch sie roch so abgestanden, wie er es gewohnt war. Der von der Straßenbeleuchtung einfallende Lichtkegel markierte auf der offenen Seite eine Textstelle. Unwillkürlich trat Rudi näher, um sie zu begutachten. Seit diesem Augenblick kannte er den geheimen Namen Gottes. Das brachte etwas in ihm zum Klingen. Ganz klar, diese Information ist wertvoll, sehr wertvoll, vielleicht unbezahlbar! Da war doch irgend etwas ... Man würde wieder nachdenken müssen. Rudi hatte bereits das Apotheken-Nachtdienstverzeichnis in der Hand, als ihm ein Name wie Donnerschlag ins Gehirn fegte: Golem! Das war es! Golem, den man aus einem Lehmklumpen formen mußte! Den man zum Leben erwecken konnte, wenn man des Schöpfers geheimen Namen wußte! Das Buch fiel um und schloß sich dabei. Schon eine halbe Stunde vor Ladenöffnung war Rudi am Baumarkt, ungeduldig vor dem Haupteingang auf- und abgehend. Um neun Uhr stürzte er am aufsperrenden Geschäftsführer vorbei und hastete durch die verschiedenen Abteilungen, um das glückbringende Baumaterial zu finden. Keuchend schleppte er schließlich zwei schwere Plastiksäcke mit Tonpulver in die Wohnung. Lehm war nicht auf Lager gewesen, aber seit seiner Teufelsbeschwörung ging er davon aus, daß in den diversen Anleitungen ein gewisser Spielraum enthalten war. In der Badewanne mischte er aus Pulver und Wasser die Modelliermasse. Das Schicksal der Wanne schien damit besiegelt, weitere Denkbäder waren hier wohl nicht mehr möglich. Doch Rudi war sicher, nach dieser Aktion von intellektuellen Herausforderungen irgendwelcher Art endgültig erlöst zu sein. Nach drei Stunden lag auf den Bodenfliesen des Badezimmers eine unförmige, entfernt an einen menschlichen Körper erinnernde Masse, roh zusammengekleistert von Rudi, dessen Neigung zur Bildhauerei schon seit jeher ebenso weit entwickelt war wie sein Interesse an automatischen Gemüseraspeln oder rückwärts laufenden Nashörnern. Mit dem Unterarm wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht; dann reinigte er notdürftig die Hände und schlug in dem Buch, das seine Kunstflugtauglichkeit in der letzten Nacht so beeindruckend bewiesen hatte, die bewußte Stelle auf. Laut und deutlich sprach er den geheimen Namen aus, und seine Stimme hallte etwas in dem gefliesten Raum. Zunächst geschah gar nichts. Der wütende Rudi wollte schon das Buch auf die tönerne Gestalt werfen und genüßlich beobachten, wie es in der noch weichen Masse steckenblieb, da bemerkte er, wie sich das, was er als Brustkorb vorgesehen hatte, langsam hob und senkte. Golem erwachte. Fasziniert
beobachtete Rudi, wie der dilettantisch und unproportioniert gestaltete Körper
sich langsam aufsetzte, die oben aufgeklebte, kopfgroße Tonkugel mühsam
hin- und herdrehte und schließlich ungeschickt versuchte, aufzustehen. Das
mißlang immer wieder, und am Badewannenrand sammelten sich Tonreste, die
Golem beim wiederholten Zurückfallen an der Kante abschälte. Schließlich
überwand sich Rudi und half seinem Geschöpf auf die "Beine".
"Ich habe es nicht eilig." antwortete Golem, und seine Stimme klang wie der Gesang von tausend Tränen. Trotzdem - überraschend deutlich für jemanden ohne Mund. "Na, um so besser!" Rudi konnte mittlerweile nichts mehr umwerfen. "Oder glaubst du, ich mache das als Freizeitbeschäftigung?" Er deutete auf das verwüstete Badezimmer. "So gleichgültig wie alles andere ist mir auch das." "Ach nein, das ist dir gleichgültig!" Typisch, dachte Rudi. Da ist einer wie der andere. "Aber mir ist das nicht gleichgültig, ganz und gar nicht gleichgültig, verstehst du?" "Ich verstehe." "Na prima! Dann hör' gut zu: Ich will Macht, Reichtum und - dir kann ich's ja sagen - die Kraft, mir jedes Weib zu unterwerfen! Kannst du mir das verschaffen?" "Nein. Ich habe andere Aufgaben. Laß mich gehen." Wieder versuchte er, auf die Tür zuzugehen. "Du bleibst, wo du bist!" rief Rudi aufgebracht. "So einfach geht das nicht! Was glaubst du eigentlich? Langsam habe ich genug von euch Verrückten! Du hast doch Macht, oder nicht?" "Ich habe Macht." Na also, dann mach' irgendwas! Ich will reich sein, klar? Wahnsinnig reich, verstanden? Vorher kommst du hier nicht raus!" An seinen Zielen wächst man, stellte Rudi fest. In Gedanken klopfte er sich auf die Schulter. "Laß mich gehen." bat Golem tonlos. "Ich kann nicht bleiben." "Du bleibst, bis du etwas für mich getan hast!" Golem stand unbeweglich da. Es schien, als denke er nach. "Und wenn ich dir zu Reichtum verhelfe, wirst du mich gehen lassen?" "Keine Frage, natürlich! Wohin du willst!" "Nun gut. Ab heute sollst du im Roulette gewinnen." Golem setzte sich wieder in Bewegung. Rudi war derart überrascht, daß er, die Gestalt mit offenem Mund anstarrend, beiseite trat und sie gehen ließ. Roulette! Was wußte ein Tonklumpen von Roulette? Als er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, war Golem schon fast an der Wohnungstür. Hastig stürzte Rudi ihm nach, versperrte ihm wieder den Weg. "Halt, Augenblick! Ist das dein Ernst, das mit dem Roulette?" "Ich spaße nicht." sagte Golem, und man konnte nicht umhin, ihm uneingeschränkt zu glauben. "Also schön, ich gewinne im Roulette. Aber wie? Was soll ich tun, in welchem Kasino, und wann?" "Beginne, und du wirst sehen." "Aha, gut, in Ordnung. Und - was bekommst du dafür?" "Ich will nichts von dir, wenn du mich gehen läßt." Endlich ein Geschäft nach Rudis Geschmack - wenn es stimmte. Das allerdings würde man erst ausprobieren müssen. Es war Zeit, Golem gehen zu lassen. Wer wußte schon, was geschah, wenn dieses Wesen die Geduld verlor? Und außerdem - solange es Ton gab, gab es Hoffnung. Schweigend trat er beiseite und ließ sein Geschöpf passieren. Lange blickte er ihm nach, schließlich schloß er nachdenklich die Wohnungstür.
Am Empfang des Spielkasinos sah Rudi sich um. Wie lange war er schon nicht mehr hiergewesen? Das mußte Jahre her sein! Der Angestellte gab ihm seinen Ausweis zurück, dann erhielt er seine Eintrittskarte, auf der er die Spielordnung unterschrieb. Erwartungsvoll ging er auf den Hauptsaal zu. Was würde geschehen? "Beginne, und du wirst sehen." so hatte Golem gesprochen. Nun gut. Die Atmosphäre unterschwelliger Spannung, das Grundgeräusch aus gedämpften Stimmen und dem Rasseln der Chips auf den Tischen ließ wieder das altbekannte Erregungsgefühl in ihm aufsteigen. Ja, das war ein Teil seiner Welt, hier gehörte er hin! Er schlenderte zwischen den Tischen umher, betrachtete die verschiedenen Permanenzen auf den elektronischen Leuchtanzeigen. Die Zahlen fielen nicht anders als früher, stellte er fest. Und? Was hatte er davon? Was sollte er jetzt unternehmen? Resignation stieg in ihm auf. Es war wohl doch alles nur Humbug. Das Gefühl der Ehrfurcht, das Rudi angesichts der ruhigen und tragische Würde Golems entwickelt hatte, begann langsam abzubröckeln. Er hätte wahrscheinlich alles versprochen, nur um gehen zu dürfen! Erst jetzt fielen Rudi die golden leuchtenden Zahlen auf, die über jedem Roulettekessel in der Luft schwebten. Ein heißer Schauer lief ihm über den Rücken. Ruhig, ganz ruhig! Gehört das vielleicht zur Anzeigetafel? Mal sehen - welche Zahl ist an diesem Tisch gerade gefallen? Aha, zwei. Und die leuchtende Zahl? Neunundzwanzig! Könnte das ...? Rudi bemerkte, wie sich Schweiß auf seinen Handflächen sammelte. Die Einsätze waren gemacht. Der Croupier schob den Kessel leicht an, nahm die Kugel auf und schoß sie ab. Das Rattern von Kunststoff auf Edelholz schien endlos zu dauern. Gebannt verfolgte Rudi den Lauf der Kugel. Jetzt das Klappern an den Stegen, jetzt ein paar kleine Sprünge, jetzt Stillstand. Neunundzwanzig. Rudi überkam ein leichtes Schwindelgefühl. Er mußte sich am Messinggeländer neben dem Roulettekessel festhalten. Als er die Augen wieder öffnete, hatte sich die goldene Zahl verändert, zeigte eine Eins. Er blickte auf die Spieler, die den Tisch umringten. Sie setzten ihre Chips, wie es überall auf der Welt geschah, machten sich Notizen, führten Berechnungen durch. Nach einigen Minuten war das Zahlenfeld gleichmäßig mit Chips bedeckt. Nur zwei Spieler hatten sich für die Eins entschieden. "Ihre Einsätze bitte!" Rudi schreckte aus seinen Betrachtungen hoch, zog hastig seine Brieftasche aus der Jacke und riß einen Geldschein heraus. "Eins!" sagte er und legte die Banknote neben den Croupier. Seine Absicht, die Stimme ruhig und fest klingen zu lassen, mißlang. Ein leichtes Zittern konnte er nicht unterdrücken. "Eins." wiederholte der Croupier, tauschte den Schein in einen Spielchip um und legte ihn auf das gewünschte Feld. Erschreckt erkannte Rudi, daß er versehentlich eine Hunderternote statt eines Zehnmarkscheins erwischt hatte. Kurz darauf befand sich die kleine Kugel wieder auf ihrer Kreisbahn. Rudis Kragen fühlte sich hinten am Nacken feucht an. Die Kugel fiel. "Eins, rot, impair und manque!" verkündete der Croupier. In diesem Augenblick wurde Rudi klar, warum die anderen Spieler die leuchtende, goldene Zahl nicht beachtet hatten: Offensichtlich war er der einzige, der sie wahrnehmen konnte! "Beginne, und du wirst sehen." Nun, er sah. Und wie er sah! Glückstrahlend nahm er die drei kleinen Stapel aus insgesamt fünfunddreißig rosafarbenen Hunderterchips entgegen, als sie vor ihn hingeschoben wurden. Es war geschafft! Er hatte bekommen, was er wollte! Golem soll leben - oder wie auch immer man seine Existenzform bezeichnen will! Rudi setzte sich auf einen frei werdenden Stuhl und legte los. An diesem Abend gewann er eine halbe Million.
Es blieb alles so, wie die tönerne Gestalt in Rudis Badezimmer es versprochen hatte. An jedem Roulettetisch wurde ihm die kommende Zahl als festlich gülden leuchtendes, über dem glänzenden Griffkreuz des Kessels schwebendes Zeichen angekündigt. Und Rudi lernte dazu. Er lernte, daß er nicht jedes Spiel gewinnen durfte. Er mußte sich die Parasitenspieler vom Leib zu halten, die mit dem Gewinner setzten und die Bank damit in viel zu kurzer Zeit sprengten. Er lernte, daß er nicht immer im selben Kasino spielen durfte, um allzu großes Aufsehen und eventuelles Mißtrauen zu vermeiden. Wie lange würde es dauern, bis ihm ein unauffällig gekleideter Herr sanft auf die Schulter klopfen und ihn zu einer zwanglosen, kleinen Befragung bitten würde? Sicher, er hatte nichts zu befürchten. Es gab keine diskreten Abmachungen mit korrupten Croupiers, keine in finsterer Nacht heimlich vorgenommenen Manipulationen am Roulettekessel, keine Falschspielertricks am Tisch. Aber es gäbe möglicherweise stundenlange, ermüdende Verhöre bei irgendwelchen Polizeibehörden. Und - wie er glaubte, irgendwo gelesen zu haben - an solchen Örtlichkeiten soll der Kaffee in der Regel abscheulich schmecken. Hatte er das nötig? Außerdem boten sich durch häufige Kasinowechsel großartige Anlässe zum Einsatz eines hellgrünen Porsche. Gibt es ein standesgemäßeres Fahrzeug, um entfernt gelegene Spieltempel aufzusuchen? Seine erste große Spieltour mußte er allerdings in einem andersfarbigen Modell der Edelmarke antreten. Die Lieferzeit für ein fabrikneues Exemplar hätte seine fiebernde Ungeduld bei weitem überstrapaziert. So begnügte er sich mit einem metallicweißen Gebrauchtwagen, zumindest, bis der bestellte hellgrüne Traum geliefert wurde. Die Reise führte - nach einem kleinen Umweg über Venedig - von San Remo über Monte Carlo und die Côte d'Azur nach Marbella. An jedem Ort, der eine Spielbank aufweisen konnte (und das sind in dieser Gegend nicht wenige, wie wir wissen), machte Rudi Station, im besten Hotel am Platz selbstverständlich. Zwei Kasinobesuche pro Aufenthalt waren obligatorisch, manchmal drei. Wo es möglich war, verschaffte er sich Zutritt zum großen Spiel, zu dem vom normalen Betrieb getrennten Spielsaal also, in dem ohne Limit gesetzt wurde. Nach einigen Tagen brach Rudi wieder auf, jedes Mal um umgerechnet mindestens eine Million gute, harte, deutsche Mark reicher. In Marbella angekommen, hatte Rudi zwei Alternativen. Die eine war, einen ausgiebigen Urlaub einzuschieben (die Sache mit den zu unterwerfenden Weibern bedurfte der näheren Betrachtung), dann zügig nach Hause zu fahren und dort die nötigen Investitionen, Anlagen und Anschaffungen für den neuen Lebensstil in die Wege zu leiten. Doch das hatte noch Zeit. Rudi entschied sich für die zweite Alternative: Erst einmal kein Urlaub, dafür das ganze noch einmal, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Als er wieder in seiner Heimatstadt ankam, hatte er alles in allem etwas mehr als fünfzig Millionen gemacht. Rudi lernte weiter. Er begriff, was zu tun war, um seine Reichtümer sicher und rentabel arbeiten zu lassen. Schon bald besaß er einige sehr ansehnliche Immobilien, Wertpapierdepots und Industriebeteiligungen. Muß man betonen, daß unter letzteren auch die Anteilsmehrheit an einer Fabrik für Energie- und Kraftnahrung zu finden war? Man muß nicht. Die Zeit verging, und Rudi lebte seinen Traum. Als aufgeschlossener und kontaktfreudiger Mensch war er schon bald unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaftsschicht, die er seit jeher so bewundert hatte. Je mehr sich sein Vermögen der ersten Milliarde näherte, desto inaktiver wurde er. Seine regelmäßigen Kasinotouren wurden seltener, denn der Reiz des risikolosen Glücksspiels ließ mit den Jahren nach. Mittlerweile fand er es unterhaltsamer, über die Videoanlagen seiner zwölf eigenen Kasinos das emsige, aber vergebliche Streben der die Tische Umlagernden zu beobachten. Die letzten vierzig Jahre seines Lebens verbrachte er mit holder Muße in den diversen Luxusdomizilen, die er sich mittlerweile rund um den Globus eingerichtet hatte. Nach einer ausgiebigen Phase des Weiberunterwerfens unterzog er sich nacheinander drei äußerst zufriedenstellenden, Herz und Seele bereichernden Ehen, jeweils eine steinreiche, ihm weiterhin freundschaftlich verbundene Frau zurücklassend. Als er mit sechsundneunzig Jahren starb, trauerten um ihn elf bestens versorgte Kinder. In keinem Augenblick seines Daseins seit dem Zusammentreffen mit Golem hatte er sich unglücklich, gelangweilt oder nutzlos gefühlt. Sein Leben war eine einzige, lange, abwechslungsreiche und unterhaltsame Traumreise gewesen. "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen!" sprach der Herr. Nun - ein wenig Tischkultur kann schließlich kein Frevel sein, nicht wahr?
Und? werden Sie fragen. War das alles? Wo bleibt das dicke Ende, das Strafgericht, die höhere Lehre? Jeder Kinoanfänger, jeder TV-Novize, jeder Romanrekrut weiß bereits, daß Hochmut vor dem Fall kommt, Unrecht Gut nicht gedeihet, Faulheit aller Laster Anfang ist. Das kann doch nicht so bleiben, das mit Rudi! Aber hier muß ich Sie enttäuschen. Wie Sie gesehen haben, lebte unser Held glücklich bis an sein Ende. Die Tatsache, daß er den größeren Teil seines Daseins in Überfluß und Luxus, bar aller Mühen und Lasten, ohne höhere Werte und tieferen Sinn zugebracht hatte, stellte auf seinem Weg zur ewigen Seligkeit kein großes Hindernis dar. Wer glücklich und zufrieden ist, verliert den Drang zu schlechten Taten. Die können nämlich wahnsinnig anstrengend sein. Desweiteren brachte Rudi sein Verzicht auf den Handel mit Luzifer einen dicken Bonus ein (die Nachricht war mittlerweile eingetroffen). Einer derart heimtückischen Versuchung widerstanden zu haben, wurde ihm als wahre, menschliche Größe angerechnet. Rudis angeborene Bescheidenheit verbot es ihm, diese Sichtweise auch nur anzuzweifeln. Moment! werden sie sagen. Ist ein Lotterleben etwa keine Sünde? Was ist mit Unzucht, Völlerei und was nicht noch alles? Nun, da kann ich Ihnen leider keine verbindliche Auskunft geben. Aber sind nicht in allen Dingen von Zeit zu Zeit gewisse Anpassungen erforderlich? Im Jahrhundert der Massenvernichtungsmittel, Umweltkiller und Korruptionsmagnaten macht einer, der ein atemloses Wochenende mit der Frau seines Steuerberaters verbringt, als Sünder nicht mehr viel her. Antiquierte Bewertungsnormen sind nicht nur unpopulär, sondern würden in den betreffenden höheren Sphären sicher einen zunehmenden, spirituellen Personalengpaß erzeugen. Engelmangel nach Sündenboom, könnte man - etwas leger - sagen. Abgesehen davon - schließlich muß man auch berücksichtigen, wer zur Entwicklung maßgebend beigetragen hat. Nicht nur, wer einen Wunsch äußert, muß für die sich daraus ergebenden Folgen die Verantwortung übernehmen, sondern im gleichen Maße auf derjenige, welcher die Erfüllung des Wunsches ermöglicht. Das war, in unserem Fall, Golem. Und Golem ist schließlich nicht irgend jemand. Moral: Arbeit ist doof. Zweite Moral: Man achte darauf, wer die Unterstützung bezahlt. |
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