MetaCreations präsentiert sein Streamingformat "MetaStream"
für 3D-Objekte im Web und "Canoma", ein verblüffendes 3D-Programm

von CyberJack IV


Wie immer bei MetaCreations, bedeutet der erste Kontakt mit Neuentwicklungen des Hauses ein Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite revolutionäre Entwicklungen, die geeignet sind, die Grafik- und 3D-Welt zu verändern. Auf der anderen Seite Unzulänglichkeiten, die an die Metapher "Chaos als Methode" denken lassen.

Gut in dieses Bild passt der Launch der Deutschlandniederlassung von MetaCreations. Gut verschanzt hinter einer 0180-Nummer, mit nicht registrierter offizieller Firmentelefonnummer, erfreut das Unternehmen die zahlreichen Anrufer mit einer unterbesetzten Supportabteilung und zugehöriger, nervenzerfetzender Warteschleife. Dem Tester gelang es auch bei insgesamt zwölf Anrufversuchen mit insgesamt 54 Warteminuten nicht, ein lebendes Wesen ans Rohr zu bekommen. E-Mails blieben - wie schon fast erwartet - unbeantwortet. Es blieb nur der Umweg über die PR-Agentur zur Klärung der dringendesten Fragen - ein Weg, der dem Normaluser verschlossen ist.


Vom Foto zum 3D-Objekt

Wer Geniales schafft, darf sich schlecht benehmen. Der Tester ist - trotz abgebissener Fingernägel - bereit, MetaCreations das zuzugestehen. Canoma ist ein solcher Geniestreich. Das Programm macht nicht mehr und nicht weniger als voll nutzbare 3D-Objekte aus selbstgeschossenen Fotos - zur Not auch aus einem einzigen. Des Geniestreichs zweiter Teil ist Metastream, das hauseigene Dateiformat für den Einbau so (und anders) erzeugter 3D-Objekte in normale Webseiten. Doch dazu später mehr.

Im bekannten MetaCreations Edeldesign stellt sich die Benutzeroberfläche dar. Der aus Bryce und Poser bekannte Trackball für die Kamera fehlt ebenso wenig wie die frei verschiebbaren Einstell- und Display-Elemente. Dass es trotz des zukunftsweisenden Oberflächendesigns immer noch nicht zu einer Recent-Liste für die letzten aufgerufenen Dateien gelangt hat, ist - im Zusammenhang mit dem oben Gesagten - fast schon Kult. Nur nicht zu sehr verwöhnen, die User!
 

 

 
     

 
Wie also macht man aus einem Foto ein 3D-Objekt? Ganz einfach: Man legt eine Drahtgitterform um den Gegenstand auf dem Foto, der plastisch erscheinen soll, und - ja, das war es eigentlich schon. Das Programm errechnet aus der Position der Knoten und Kanten des Drahtgitters, wie die Räumlichkeit des darunter liegenden Bildelements "gemeint" ist und verzerrt beim späteren Drehen des Objekts die Flächen entsprechend. Alles, was nicht mit Drahtgittermodellen umhüllt wird, fasst Canoma als Fläche auf und stellt es flach dar.

Die Formel "ganz einfach" aus dem vorigen Absatz beschreibt die Idee, die hinter Canoma steckt. Die praktische Umsetzung ist nicht ganz so leicht. Die enorme Rechenintelligenz, die in dem Produkt steckt, kann leicht irregeführt werden. Besonders bei komplexeren Modellen ist die Reihenfolge der angebrachten Drahtgitter von Bedeutung. Prinzipiell sollte immer von unten nach oben gearbeitet werden. Eine Reihe von Platzierungsfunktionen wie das direkte Aufsetzen, Ausrichten und Anschließen sowie Magnetpunkte für das Ansetzen innerhalb einer Kante helfen dem Programm zusätzlich, die eigentliche Absicht des Anwenders zu erkennen und die Perspektivverläufe richtig zu interpretieren. Für den Benutzer bedeutet das: Es ist einige Übung erforderlich, bis anspruchsvolle Modelle so gelingen, wie sie beabsichtigt waren.
 

 
   
     


Mit dem erzeugten Modell kann man verschiedene Dinge anfangen. Per Trackball und anderen Kamerakontrollen lässt sich das Objekt sofort innerhalb des Arbeitsfensters drehen, zoomen und verschieben - auf Wunsch auch voll oder vorläufig texturiert. Einzelbilder erzeugt man, indem man das Objekt in den gewünschten Blickwinkel bringt und dann als JPEG-, TIFF-, PNG-, BMP- oder Photoshop-Datei rendert. Fast genauso einfach lassen sich Animationen wie Rundflüge oder Walkthroughs herstellen: Man stellt einige Zwischenphasen ein, sammelt sie in der Keyframeliste und klickt auf "Animation rendern".

Beide Verfahren erzeugen zweidimensionale Darstellungen der eigentlich dreidimensionalen Objekte. Interessant wird das Ganze durch die Verwendung der erzeugten 3D-Objekte in anderen 3D-Programmen oder in Webseiten. Zu diesem Zweck kann man Canoma-Objekte in die Dateiformate Wavefront, Poser Prop, Truespace, Autodesk und VRML2 exportieren. Und natürlich in das neue Wunderkind Metastream.

Lassen sich also alle Bilder in phantastische 3D-Objekte verwandeln? Natürlich nicht. Erstens muss das Bild Inhalte anbieten, die sich für die perspektivische Darstellung eignen. Drei malerisch auf einen Tisch komponierte Gegenstände sind ein solches Motiv, ein Gemälde an der Wand wegen der mangelnden Bildtiefe eher nicht. Zweitens dürfen die umzuwandelnden Objekte nicht zu komplex sein. Ein Waschmittelpaket stellt kein Problem dar, denn es genügt, es mit einem der Gitter-Grundelemente, dem Quader, zu umhüllen. Mit den Anfassern an den Ecken und Kanten kann man unter Zuhilfenahme der Lupe eine exakte Anpassung erreichen. Auch komplexere Elemente wie Tische oder Stühle bis hin zu Häusern und ganzen Stadtlandschaften lassen sich durch die Kombination der vorhandenen 17 Gitter-Grundelemente markieren. Die Grenzen zeigen sich bei archaischen Modellen wie Landschaften oder Lebewesen. Sie sind zu komplex, um auf diese Weise eine ansehnliche 3D-Visualisierung zu erlauben. Sehr schnell wird man herausfinden, dass Canoma das ideale Werkzeug zur 3D-Illustration von Katalogen, technischen Beschreibungen oder Unterhaltungsinhalten ist, wenn es darauf ankommt, dem User die Möglichkeit zu geben, das Objekt interaktiv von verschiedenen Seiten zu betrachten und sich so einen ersten Eindruck zu verschaffen. Mehr darf man nicht erwarten, vor allem nicht eine pixelgenaue Hochqualitätsdarstellung wie aus einem 3D-Grafikprogramm.
 

 
 
     


Stellen Sie sich eine Zigarrenkiste vor, auf der eine Zigarettenschachtel liegt. Modelliert man nur die Zigarrenkiste mit einem Quader-Gitter, hat man als Ergebnis das 3D-Modell der Kiste, bei der auf der Oberseite eine Zigarettenschachtel aufgemalt ist. Möchte man auch die Zigarettenschachtel räumlich darstellen, muss man einen entsprechenden, kleineren Gitterquader auf den größeren aufsetzen. Das lässt sich weiterdenken: Vielleicht liegt auf der Zigarettenschachtel eine Streichholzschachtel? Auf der Streichholzschachtel ein Streichholz? Auf dem Streichholz ... ? Je realistischer das Endergebnis sein soll, desto aufwendiger ist das Markieren mit den Drahtgitter-Primitiven. Und hier gibt es - sowohl vom Arbeitsaufwand als auch von der Rechenleistung her - natürliche Grenzen.

Zurück zum Waschmittelpaket. Nehmen wir an, Sie haben nur ein Foto davon, das die Schachtel von schräg vorne zeigt. Damit können Sie Canoma die Information über drei Seiten der Schachtel vermitteln. Was geschieht, wenn der User das erzeugte 3D-Objekt so weit dreht, dass die auf dem Foto nicht sichtbare Rückseite nach vorne kommt? Hier bietet Canoma zwei Alternativen: schwindeln oder ergänzen. Charmant ist der Schwindelmodus: Er weist das Programm an, Informationen für nicht sichtbare Seiten von sichtbaren zu klauen. Eine so erzeugte Waschmittelschachtel zeigt vorne und hinten die Vorderseite. Es ist verblüffend, wie oft diese Methode ausreicht. Auch bei Häusern eignet sich die Methode, um das Gebäude auf allen Seiten mit Fassadentexturen zu versehen.

Der andere Weg ist das Zufügen weiterer Fotos, die das gewünschte Objekt von den anderen Seiten zeigen. Diese Funktion ist das Genialste an Canoma. Es ist nämlich völlig unerheblich, aus welcher Entfernung, aus welcher Höhe und aus welchem Winkel die Fotos geschossen wurden. Anhand der zugefügten Gittermodelle errechnet das Programm die erforderliche Verzerrung und schafft korrekte Texturen.
 

 
 
     


Die Qualität der Texturen hängt logischerweise von der Qualität der angelieferten Fotos ab. Je besser sie sind, desto schöner verläuft das Heranzoomen an das Objekt. Ein weiterer Geniestreich von Canoma ist, dass nicht alle Seiten eines Objekts die gleiche Texturqualität haben müssen. Nehmen wir an, Sie haben beim Anflug auf eine Stadt aus dem Flugzeug einige Fotos eines Gebäudes gemacht. Sie genügen, um das 3D-Modell herzustellen. Kommt es Ihnen allerdings vor allem auf die Gestaltung der vorderen Fassade an, weil sie das eigentliche Demonstrationsobjekt ist, fahren Sie später zu dem Gebäude und fertigen in aller Ruhe ein scharfes Foto dieser Hausseite an. In Canoma verwenden Sie dieses Foto anstelle des entsprechenden aus dem Flugzeug. Für die anderen Seiten bleiben Sie bei den Flugaufnahmen. Im Ergebnis kann der User das Modell von allen Seiten betrachten und erlebt beim Heranfahren den erwarteten Auflösungsverlust - außer bei der Vorderfassade: Da ihre Textur von einem erheblich besseren Foto stammt, kann der Betrachter auch kleine Details der Fassadengestaltung studieren.

Wenn wir schon bei Häusern sind: Wie wäre es mit einem nachträglich angebrachten, 40 Stockwerke hohen Werbesignet - natürlich entsprechend dreidimensional angepasst? Canoma macht's möglich: Sie können einzelne Flächen der Objekte in ein 2D-Grafikprogramm Ihrer Wahl exportieren, dort entsprechend nachbearbeiten und wieder zurückgeben.

Ab ins Netz

Derzeit arbeitet MetaCreations hart daran, Allianzen und Kooperationen mit anderen Unternehmen herzustellen, um Metastream zum Industriestandard für das Streaming von 3D im Web zu machen. Man kann dem rührigen Unternehmen nur wünschen, dass diese Bemühungen von Erfolg gekrönt werden. Metastream kann das verwirklichen, was VRML bis heute nicht geschafft hat: die massenweise, unkomplizierte Verbreitung von 3D-Darstellungen im Web.

Metastream ist eine Kombination aus Streaming und Kompression für interaktive 3D-Informationen. Es ist sozusagen das "Real"-Format für dreidimensionale Inhalte. Das Plugin für Internet Explorer und Netscape fungiert dementsprechend wie ein "Real"-Player für 3D. Mit nur rund einem halben Megabyte ist es angenehm klein. Ebenso schmalbrüstig kommen die 3D-Objekte daher: Einfache Strukturen sind nicht größer als farbenreiche JPEG-Bilder. Bei entsprechender Einstellung des Plugins bauen sich die Modelle in der Art einer GIF-Datei progressiv auf: Um schneller ein verwendbares 3D-Objekt zu erhalten, ist es zunächst nur sehr grobmaschig verfügbar und verfeinert sich während des Streamingvorgangs zusehends.

Auch hier zelebriert MetaCreations den Kult des kontrollierten Chaos. Wer beispielsweise Bryce 4 deutsch zur Installation von Metastream nutzt, bekommt ein deutsches Plugin - und hat damit Pech gehabt. Die derzeit aktuelle Version 2.2 ist vorerst nur in English erhältlich, was an sich nicht so schlimm wäre. Dumm nur, dass die automatische Download- und Installationsroutine wohl keine Deutschen leiden kann und das Plugin nicht aktualisiert. Glücklicherweise lässt sich der Installer auch als EXE-Datei herunterladen und so die Installation manuell auslösen.

Der Export einer Canoma-Datei in das Metastream-Format erzeugt automatisch eine HTML-Datei gleichen Namens, die den kompletten Code für eine Standardplatzierung in der Webseite enthält. Das Codestück muss nur in die eigene HTML-Seite kopiert werden. Die von Canoma erzeugte HTML-Datei enthält auch das Link zu einer Parameterliste auf der MetaCreations Website. In ihr sind alle Einstellungen zu finden, die man dem Plugin mit auf den Weg geben kann. Alle Details - von der Hintergrundfarbe über die Verfügbarkeit des Kontextmenüs bis hin zur Kamera-Startposition - lassen sich vorgeben, allerdings nur, wenn mindestens die Version 2.2 des Plugins installiert ist. Die angebotene, pixelgenaue Einstellung eines Rahmens um das Metastreamfeld gehört in der aktuellen Version allerdings ins Reich der Legende.

Metastream ist ein echter Durchbruch beim Thema 3D im Web. Als Beispiel habe ich gleich einen ganzen Stadtteil bereitgestellt, um die Leistungsfähigkeit des Systems zu demonstrieren - und gleichzeitig auch seine Grenzen. Bewusst habe ich in Kauf genommen, dass das Metastream-Objekt ein knappes Megabyte gross ist. In dieser Dateigrösse eine komplette Stadtlandschaft unterzubringen, die beliebig gedreht, gekippt, ja, sogar durchwandert werden kann, ist beeindruckend. Zwischen dieser Dateigrösse und einer Waschmittelschachtel mit rund 30 KByte bleibt viel Raum für individuelle Lösungen.
 

 


     


Das Beispiel wurde lediglich aus den drei obenstehenden Fotos hergestellt. Sehen Sie es sich einmal an. Sollten Sie das Plugin noch nicht haben, installieren Sie es. Sie werden es in Zukunft sicher oft brauchen können.

Metastream-Beispiel

 

 
     

 
 


Daten

Produkte:

Canoma 1.0: 3D-Generierung aus 2D-Vorlagen
Metastream: Dateiformat für 3D-Darstellung im Internet

Hersteller: MetaCreations
MetaCreations Deutschland

Systemvoraussetzungen:

Windows:
Pentium
32 MB RAM (empfohlen 48 MB)
CD-ROM-Laufwerk
50 MB Festplattenplatz
16-Bit-Farbe (empfohlen 24 Bit)

Macintosh:
Power PC
System 8 oder höher
32 MB RAM (empfohlen 48 MB)
CD-ROM-Laufwerk
50 MB Festplattenplatz
16-Bit-Farbe (empfohlen 24 Bit)

Positiv:

  • Bestechendes Verfahren zur Erzeugung von 3D-Objekten
  • Gelungene Benutzeroberfläche
  • Mächtige Programmintelligenz zum Errechnen von 3D-Daten
  • Unkomplizierter Export ins Web durch Metastream

Negativ:

  • Telefonsupport sehr schlecht erreichbar
  • Leichte Interpretationsprobleme bei verteilten 3D-Objekten
  • Deutsches Metastream-Plugin derzeit nicht automatisch updatebar
  • Metastream-Plugin in Version 2.2 nicht ganz fehlerfrei (kein Problem bei der Anzeige)
 
     

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